Ich erinnere mich noch gut daran, dass wir Anfang der 1990er-Jahre den ersten Abschnitt einer Reise nach Australien mit dem Lufthansa-Zug von Stuttgart nach Frankfurt zurückgelegt haben. Damals bot die Lufthansa unter dem Namen „Lufthansa Airport Express“ nur zwei Strecken (nämlich Stuttgart/ZWS-Frankfurt/FRA sowie Düsseldorf/QDU-Frankfurt/FRA) an, die jedoch jeweils mit komplett eigenen Zuggarnituren exklusiv für Lufthansa-Passagiere mehrfach pro Tag bedient wurden. Die Strecke zwischen Stuttgart und Frankfurt wurde dabei zunächst mit einer Lokomotive der Baureihe 111, nach Inbetriebnahme der Neubaustrecke nach Mannheim mit Baureihe 103 sowie drei Abteilwagen erster Klasse der Gattung Avmz 207 gefahren, auf der Strecke zwischen Düsseldorf und Frankfurt kamen die von der Deutschen Bahn verschmähten und durchaus berüchtigten „Donald Duck“-Garnituren der Baureihe ET 403 zum Einsatz.
Damals erhielten auch Economy Class-Passagiere Sitzplätze in Vierer-Abteils wie sie heute nicht einmal mehr in der ersten Klasse zu finden sind, darüber hinaus wurde auch eine im Preis inbegriffene warme Mahlzeit am Platz serviert. In Stuttgart gab es dabei am Bahnhof vor den Fernbahn-Gleisen 9 und 10 einen eigenen Lufthansa Check-In mit Gepäckaufgabe und Gepäckrückgabe, die aufgegebenen Koffer wurden nahtlos auf den folgenden Flug verladen, ohne dass man sich darum noch hätte kümmern müssen.
Ab Mitte der 90er-Jahre stellte man diese exklusive Verbindung dann ein und buchte stattdessen, nun unter der Bezeichnung „Lufthansa AirRail“ ein Kontingent für Lufthansa-Gäste auf den planmäßig verkehrenden ICE-Zügen, weiterhin aber mit der Möglichkeit, das Gepäck bereits in Stuttgart abzugeben oder erst in Stuttgart wieder entgegenzunehmen. Bei Buchungen in der Business Class erhielt man Sitzplätze in der ersten Wagenklasse und einen gewissen Freiverzehr im Bordbistro, Buchungen der Economy Class wurden in die zweite Klasse platziert und erhielten keine Verpflegung mehr.
Mit der Eröffnung der Neubaustrecke zwischen Siegburg und Frankfurt wurde das Netzwerk an innerhalb eines Lufthansa-Tickets buchbaren Zugverbindungen dann graduell erweitert, zunächst kam Köln Hbf (QKL) hinzu, später wurden praktisch sämtliche größeren ICE-Bahnhöfe mit der Möglichkeit, von hier aus seinen Lufthansa-„Flug“ zu beginnen, erweitert. Da es natürlich nicht praktikabel war, an sämtlichen größeren Bahnhöfen einen Lufthansa-Check-In-Bereich einzurichten (und vermutlich auch um Kosten einzusparen), wurde irgendwann auch die Gepäckverladung abgeschafft. Seither müssen AirRail-Gäste sich selbst um ihr Gepäck zwischen Frankfurt und ihrem jeweiligen Zielort kümmern, wobei die Gepäckabgabe in Frankfurt (bei Ankunft mit einer AirRail-Verbindung am Flughafenbahnhof) im Verbindungssteg zwischen Fernbahnhof und dem Flughafenterminal möglich ist. In der umgekehrten Richtung werden sämtliche Gepäckstücke, die mit einem Zielbahnhof gelabelt sind, ebenfalls dorthin geleitet und ausgegeben, was einerseits zwar einen kürzeren Weg mit Gepäck bedeutet, andererseits bei orts- und prozessunkundigen Fluggästen aber für Verwirrung sorgen kann, wenn das Gepäck nicht wie erwartet in der Gepäckausgabehalle, sondern am Fernbahnhof ausgegeben wird.
Informationen zur Fahrt | |
Zeitpunkt | April 2024 |
Fluggesellschaft | Lufthansa (LH/DLH) durchgeführt von Deutsche Bahn (2A/DBB) |
Von | Stuttgart Hauptbahnhof (ZWS) |
Nach | Flughafen Frankfurt Rhein-Main (FRA/EDDL) |
Flugnummer | LH3413/ICE770 |
Abfahrtszeit | 09:23 Uhr |
Ankunftszeit | 10:36 Uhr |
Dauer | 1:13 Stunden |
Fahrzeug | Siemens Mobility/Bombardier ICE 4 Baureihe 412 |
Reiseklasse | Business (P) |
Sitzplatz | Wagen 12, Platz 43 |
Vor der Fahrt
Unmittelbar nach der Buchung wollte ich aus Gewohnheit für alle Strecken unserer Reise Sitzplätze reservieren, wurde beim Leg von Stuttgart Hbf nach Frankfurt jedoch vertröstet, dass ich „meinen Sitzplatz erst beim Check-In wählen“ könne. Dies war dann aber auch ein leeres Versprechen, denn offenbar werden die Sitzplatzreservierungen bei Lufthansa Express Rail-Verbindungen einige Tage vor Abfahrt „zugewürfelt“ und lassen sich beim (Online-) Check In auch nicht mehr ändern. Ein anderer Check In als online ist bei Abfahrten ab Stuttgart Hbf auch gar nicht möglich, da inzwischen auch keine Automaten mehr am Hauptbahnhof stehen. Unsere Bordkarte wies bei einer Zug-Abfahrtszeit von 9:23 Uhr übrigens eine Boarding-Time von 9:18 Uhr und eine „Gate schließt“-Zeit von 9:08 aus – was vermutlich auf eine technische Voreinstellung zurückzuführen ist und irgendwie wenig Sinn macht, könnte bei orts- und Fahrplanunkundigen Fahrgästen durchaus Verwirrung stiften, da nirgendwo die eigentliche Abfahrtszeit vermerkt ist.
Wir begaben uns also mit einigem Puffer auf unsere Abfahrtszeit zum Stuttgarter Hauptbahnhof, wo wir zunächst die regional aufgrund eines Protest-Graffito auch als „Fernwanderweg“ bekannte Baustellen-Umgehung von der Klett-Passage zu den Bahnsteigen überwinden mussten.
Hier sollte man gut und gerne einen zusätzlichen Laufweg von 10 Minuten einplanen, insbesondere wenn einem bei Abfahrt am Vormittag viele Berufspendler entgegenkommen. Diese Situation wird uns wohl auch noch im kommenden Jahr begleiten, denn neueste Berichte gehen nicht davon aus, dass der Tiefbahnhof wie geplant zum Fahrplanwechsel im Dezember 2024 in Betrieb gehen kann – pessimistische Schätzungen gehen inzwischen von einer Inbetriebnahme nicht vor dem Jahr 2027 aus.
Da die von uns gebuchte Lufthansa Express Rail-Verbindung auf einem ICE-Zug der Linie 22 (Stuttgart-Hamburg) durchgeführt wurde, stand unser Zug bei unserer Ankunft an Gleis 5 etwa 15 Minuten vor der geplanten Abfahrtszeit bereits mit geöffneten Türen am Bahnsteig – ich würde ohnehin grundsätzlich empfehlen, bei Anreisen zum Flughafen Frankfurt die Züge der Linie 22 (mit Abfahrt 23 Minuten nach der ungeraden Stunde) zu wählen, da diese Linie in Stuttgart mit einer Wendezeit von etwa 40 Minuten endet, so dass frühere Ankunftsverspätungen aufgefangen werden – alle anderen Züge, auf denen eine Lufthansa-Kooperation besteht, beginnen in München und schleppen mitunter bereits bei der Ankunft in Stuttgart eine erhebliche Verspätung mit sich.
Vor der Abfahrt hätten wir mit unserem Business Class-Tickets auch die DB Lounge am Stuttgarter Hauptbahnhof nutzen können – da diese jedoch nicht direkt im Bahnhof, sondern im benachbarten Zentralgebäude der Landesbank Baden-Württemberg liegt, nicht besonders groß und grundsätzlich unspektakulär ist (es gibt verschiedene Softdrinks aus der Postmix-Anlage und Heißgetränke, jedoch weder Alkohol noch Speisen), haben wir darauf verzichtet. Reisende der Economy Class erhalten in Verbindung mit einer Lufthansa Express Rail-Verbindung auch dann Zutritt, wenn sie Senator oder HON CIrcle Member sind. Ob eine Kombination aus Economy Class-Ticket und StarAlliance Gold-Status oder BahnBonus-Gold-Status auch zum Loungezutritt berechtigt, ist mir nicht bekannt, diese Kombinationen werden aber weder bei der Bahn noch bei der Lufthansa erwähnt. Auf der umgekehrten Strecke besteht für die genannten Berechtigten auch Zutritt zur DB Lounge am Frankfurter Flughafen.
An Bord
Aufgrund unserer Buchung in der Business Class erhielten wir eine Sitzplatzreservierung im Wagen 12, einer der vier Erste-Klasse-Wagen des Zugs. Während die Verbindung zwischen Stuttgart und Hamburg bis vor einigen Monaten recht zuverlässig mit der ursprünglichen ICE-Baureihe 401 bedient wurde, kommen inzwischen praktisch ausschließlich Züge der neueren Baureihe 412 zum Einsatz – leider ist hier im Gegensatz zur Baureihe 401 eine Sitzgeneration verbaut, die aufgrund ihrer Gestaltung bereits bei ihrer Einführung erhebliches Missfallen bei Vielreisenden auslösten. Darüber hinaus tendieren Züge der Baureihe 412 auch zum Aufbau von Verspätungen, da aufgrund ihrer begrenzten Höchstgeschwindigkeit (250 km/h bzw. 265 km/h) kaum ein Aufholen von Fahrplanabweichungen auf den teilweise mit bis zu 280 km/h befahrbaren Neubaustrecken zwischen Stuttgart und Mannheim sowie Göttingen und Hannover möglich ist.
Die Sitze im Großraumwagen aller ICE-Generationen sind in einer 1-2-Anordnung bestuhlt, wobei pro Wagen mehrere gegenüberliegende Plätze mit Tisch in der Mitte vorhanden sind. Auf der Seite mit Einzelsitzen befinden sich darüber hinaus in unregelmäßigen Abständen auch Gepäckregale, unabhängig von der Fahrtrichtung ist etwa die Hälfte der Sitze gegen die Fahrtrichtung, die andere mit der Fahrtrichtung angeordnet.
Unsere zugelosten Sitze befanden sich dann unglücklicherweise auch noch neben einem der erwähnten Gepäckregale auf der einen Seite, die andere Wand wies an dieser Stelle kein Fenster auf, so dass sich die Plätze recht beengt anfühlten.
Glücklicherweise war der Zug an einem Freitagmorgen kaum ausgelastet (die DB-App zeigte „geringe Auslastung“ an), so dass wir uns nach der Abfahrt eine Reihe weiter nach hinten auf Plätze setzen konnten, die erst ab Frankfurt reserviert waren.
Die Sitze sind jeweils mit einem Klapptisch, einem kleinen Netz für allerlei Kleinigkeiten (in dem sich die Speisekarte des Bordbistros befand), Steckdosen und einem kleinen Abfallbehälter unter dem Vordersitz ausgestattet. Die Seite mit Doppelsitzen verfügt darüber hinaus auch pro Sitz noch über einen Getränkehalter. Die Sitze lassen sich über zwei Hebel unterhalb der Sitzfläche geringfügig verstellen, mit einem Hebel lässt sich die Neigung der Rückenlehne zu Lasten der Beinfreiheit verstellen (im Gegensatz zu den Zügen der Baureihen 401, 402 und 407 rückt man hier wie auch in den modernisierten Baureihen 403/406 und der neuen Baureihe 408 mit der Sitzfläche nach vorne, wodurch dem Hintermann keine Platzeinschränkung durch das Zurückstellen der Lehne entsteht) und mit dem anderen Hebel die Länge der Sitzfläche verstellen. Die auf diesen Sitzen installierten sehr massiven Kopfstützen lassen sich hingegen nicht verstellen, so dass die Sitzposition für nur geringfügig größere Menschen sehr unbequem werden kann.
In den Zügen der Baureihe 408, die auch als ICE3neo bekannt ist und die auf dieser Strecke nicht eingesetzt wird, befindet sich auch ein Device-Holder an jedem Sitz – je nach Generation der Innenausstattung entweder oberhalb des Klapptisches oder in den Klapptisch integriert (bei letzteren Ausstattungen verfügen auch die Einzelplätze über Getränkehalter, jedoch muss man zur Nutzung des Device-Holders den Klapptisch herunterklappen, was irgendwie nicht so im Sinne des Erfinders ist).
Unsere Abfahrt verzögerte sich dann auch um einige Minuten, während der Fahrt bauten wir weitere Verspätung auf, so dass wir mit einer Gesamtverspätung von etwa 10 Minuten am Frankfurter Flughafen ankamen.
Verpflegung
Dieser Absatz ist kurz – es gibt inzwischen auf Lufthansa Express Rail-Verbindungen keine inkludierte Verpflegung mehr. Die im Bild gezeigte Apfelschorle-Flasche habe ich selbst im BordBistro unter Nutzung eines Freigetränke-Gutscheins, den ich mit meinem BahnBonus-Gold-Status erhalten hatte, erworben. Sporadisch wird von der Bahn noch das gezeigte Schokoladentäfelchen an alle Fahrgäste der ersten Klasse verteilt, das war es dann aber auch schon.
Ankunft
Bei der Ankunft mit Lufthansa Express Rail am Flughafen Frankfurt muss man sich zunächst vom Fernbahnhof bis zum Terminal begeben, und hierbei u.a. die Autobahn 3 überqueren. Zu diesem Zweck existiert zwischen dem Terminal und der Verteilerebene des Fernbahnhofs ein Gang, über den man zwischen beiden Gebäuden wechseln kann, ohne ins Freie gehen zu müssen. In diesem Gang befindet sich auf ein Check In- und Gepäckrückgabebereich der Lufthansa, der speziell für die Ab- und Rückgabe von Gepäck von Express Rail-Passagieren vorgesehen ist.
Aufgrund von Arbeiten an der Gepäckförderanlage in diesem Bereich war bei unserem Besuch im April 2024 hier keine Gepäckabgabe möglich, dennoch werden alle Gepäckstücke mit dem Flugzeug ankommender und mit einer Express Rail-Verbindung weiterreisender Passagiere hier ausgegeben und landen nicht auf dem Gepäckrückgabeband des entsprechenden Flugs in der Gepäckhalle des Bahnhofs. Hierauf wird u.a. in der Buchungs-Mail und auf den meisten Langstreckenverbindungen kurz vor der Landung per Lautsprecherdurchsage hingewiesen, jedoch ist ein Bekannter meinerseits hier einmal reingefallen – er wartete in Unkenntnis der Situation über eine Stunde am Gepäckband und hatte, als man ihm die Auskunft gab, dass sein Gepäck in diesem Bereich auf ihn warte, seine Zugverbindung bereits verpasst.
Die Lufthansa bewirbt auf der Informationsseite zu Express Rail auch die Bereitstellung eines Fast Tracks an der Sicherheitskontrolle am Frankfurter Flughafen für alle Gäste, die von der Bahn auf das Flugzeug umsteigen. Tatsächlich existiert an der Sicherheitskontrolle A ein separater Eingang, der mit „Lufthansa Express Rail“ gekennzeichnet ist. Hierbei handelt es sich aber nicht um einen Zugang zum echten Fast Track für Business Class-Gäste und Statuskunden, sondern lediglich um eine Abkürzung der Warteschlange für die Sicherheitskontrolle der Economy Class.
Fazit
Grundsätzlich ist die Kooperation zwischen der Bahn und der Lufthansa gerade als Alternative zu den (kurzen) Flugstrecken von Flughäfen wie Stuttgart, Köln oder Düsseldorf sehr zu begrüßen, insbesondere, da der Aufpreis bei Buchung der Express Rail-Verbindung gegenüber einem Abflug von Frankfurt vernachlässigbar ist. Sehr positiv an diesem Angebot ist auch hervorzuheben, dass im Gegensatz zu Angeboten wie Rail & Fly oder einer Eigenanreise mit der Bahn eine Haftung hinsichtlich möglichen Anschlussverlusts in Frankfurt besteht (d.h. sollte man aufgrund von Verspätung seinen Flug in Frankfurt oder bei der Rückreise den Zug verpassen, muss sich die Lufthansa um eine Alternative kümmern).
Als problematisch sehe ich jedoch an, dass bei weitem nicht jede mögliche Zugverbindung zum Frankfurter Flughafen auch als Express Rail-Verbindung buchbar ist, und dass aufgrund des Bestrebens, eine möglichst kurze Umsteigezeit in Frankfurt zu gewährleisten, auch nicht alle grundsätzlich verfügbaren Verbindungen gebucht werden können – in der Buchungsmaske der Lufthansa werden in der Regel keine Express Rail-Verbindungen angezeigt, die mehr als 2 Stunden Aufenthalt in Frankfurt bieten, was aufgrund der bestehenden Zugbindung und der notorischen Unzuverlässigkeit der Bahn durchaus knapp werden kann. Selbst wenn die Lufthansa bei Anschlussverlust dafür sorgen muss, dass man noch an seinem Zielort ankommt (und ggf. auch eine EU261-Entschädigung zahlen muss), verliert man durch eine erforderliche Umbuchung auf einen späteren Flug wertvolle Zeit, was insbesondere bei kurzen Wochenendtrips wie unserem stark ins Gewicht fallen kann.