Die Bahn als öffentliches Verkehrsmittel in Japan hat durchaus nicht zu unrecht einen regelrecht legendären Ruf. Verantwortlich hiefür ist in allererster Linie eine äußerst effiziente Betriebsführung, die sich deutlich von der in Kontinentaleuropa unterscheidet. Da bei der Nutzung der Bahn in Japan einige Punkte zu berücksichtigen sind, habe ich diesen Artikel mit den wichtigsten Informationen zur Nutzung des Schienenverkehrs in Japan zusammengestellt. Natürlich ließe sich hier noch eine wesentlich längere Abhandlung erstellen, ich denke aber, die folgenden Tipps sollten für den Gelegenheitsreisenden völlig ausreichend sein.
Inhaltsverzeichnis
Die Zuggattungen in Japan
Wie jedes Eisenbahnsystem verfügt auch Japan über unterschiedliche Zuggattungen, die sich durch die Haltestellenabstände, den gebotenen Komfort und teilweise den Fahrpreis unterscheiden. Ebenfalls können die unterschiedlichen Züge grob in Nah- und Fernverkehrszüge unterschieden werden, auch wenn die Trennung hier nicht so scharf ist wie beispielsweise in Europa. Der folgende Abschnitt gibt euch einen Überblick über die unterschiedlichen Arten von Zügen, die ihr in Japan nutzen könnt.

Nahverkehr
- Local
Diese Züge halten in aller Regel an allen Unterwegsbahnhöfen und sind im innerstädtischen Verkehr am ehesten mit einer S-Bahn, außerorts mit einem RegionalExpress vergleichbar. Sitzplatzreservierungen oder eine erste Klasse werden nicht angeboten, innerorts findet man hauptsächlich Stehplätze und Sitzbänke quer zur Fahrtrichtung. Züge vom Typ Local sind nicht zuschlagpflichtig. - Rapid
Diese Züge halten in bestimmten Gebieten an allen Unterwegsbahnhöfen, überspringen jedoch zwischen den Gebieten die Haltestellen. Eine wirkliche Entsprechung hierfür gibt es in Europa nicht, am ehesten sind Rapids noch vergleichbar mit den ERIO-Zügen der Pariser RER B, die im Süden von Paris bis zur Gare du Nord überall halten und dann ohne Halt zum Flughafen CDG durchfahren. Die Ausstattung entspricht weitestgehend den Local-Zügen, auf manchen Verbindungen wird in speziellen Doppelstock-Wagen aber auch eine erste Klasse („Green Car“) angeboten, deren Sitze in Fahrtrichtung ausgerichtet sind. - Express
Diese Züge halten nur an ausgewählten Haltestellen und sind am ehesten mit einem RegionalExpress im europäischen Schienenverkehr vergleichbar. Die Ausstattung und der Reisekomfort kann je nach Strecke variieren, sehr häufig kommen aber auch für Express-Züge Wagen mit überwiegend Stehplätzen und Sitzbänken entlang den Außenwänden zum Einsatz. Ein Zuschlag ist in der Regel ebenfalls nicht erforderlich.
Fernverkehr
- Limited Express
Diese Züge, die nur an größeren Bahnhöfen halten und in aller Regel eine längere Distanz zurücklegen, entsprechen in etwa dem europäischen Intercity. Diese Züge sind zuschlagpflichtig und bieten eine Reservierungsmöglichkeit für Sitzplätze (einige Verbindungen sind gar reservierungspflichtig), fast immer ist auch eine erste Klasse (Green Car) an Bord. Die Sitze sind üblicherweise in Fahrtrichtung angeordnet (und werden beim Wenden der Züge gedreht, so dass man immer mit Blick in Fahrtrichtung sitzt), nicht selten gibt es auch Steckdosen etc. an den Plätzen. - Superexpress
Bei diesen Zügen handelt es sich um Hochgeschwindigkeitszüge, die auf dem Shinkansen-Netz fahren. Sie sind zuschlag- und reservierungspflichtig (mit Ausnahme weniger Wagen pro Zug, die keine Reservierung erfordern) und bieten ebenfalls eine erste Klasse (Green Car). Diese Züge entsprechen von ihrer Reisegeschwindigkeit und ihrem Komfort her den europäischen Hochgeschwindigkeitszügen wie ICE, TGV oder Eurostar. In aller Regel verkehren auf den Superexpress-Linien drei unterschiedliche Subtypen, die je nach Betreiber mit unterschiedlichen Namen bezeichnet werden. Auf dem Tokaido Shinkansen werden Züge, die nur an den größten Knotenbahnhöfen halten, als „Nozomi“ bezeichnet, Züge, die auch an gewissen (je nach Abfahrtszeit unterschiedlichen) Unterwegshalten stoppen als „Hikari“ und die Züge, die ausnahmslos sämtliche Haltestellen anfahren, tragen den Namen „Kodama“.
Fahrkarten kaufen in Japan
Wer mit dem Zug fahren will, benötigt natürlich eine Fahrkarte. Es gibt verschiedene Arten, Tickets für die Bahn in Japan zu kaufen, grundsätzlich kann man zwischen klassischen Papierfahrscheinen, mobilen Fahrkarten auf dem Handy und der AdHoc-Bezahlung einer Fahrt per NFC-Karte („IC Card“) unterscheiden. Nicht jede Art des Fahrscheins bzw. der Bezahlung eignet sich gleich gut für bestimmte Strecken und Züge, im folgenden Abschnitt gebe ich euch meine Empfehlungen hierzu.
Und da man natürlich nicht nur eine Fahrkarte braucht, sondern auch sicher sein sollte, dass diese für die gewählte Verbindung auch gültig ist, folgt als erstes eine kleine Einführung in das Tarifsystem der japanischen Bahnbetreiber.

Das Tarifsystem
Keine Angst, das japanische Tarifsystem ist nicht so komplex, wie man es aus Europa gewöhnt ist (zumindest ist es deutlich einfacher als in Europa, das korrekte Ticket zu lösen). Grundsätzlich setzt sich der Fahrpreis für eine Bahnfahrt in Japan aus mehreren Komponenten zusammen – dem Basisfahrpreis und eventuellen Zuschlägen oder Reservierungsgebühren. Der Basisfahrpreis ist hierbei für alle Züge auf der gewählten Strecke gleich, beinhaltet einen Grundfahrpreis und eine entfernungsabhängige Komponente (daher sind längere Fahrten relativ gesehen günstiger als kürzere). Mit diesem Basisfahrpreis können beispielsweise alle Züge im Nahverkehr bereits genutzt werden, der Erwerb von Zuschlägen oder Reservierungen ist nicht erforderlich.
Auf bestimmten Verbindungen kommt bei zuschlagpflichtigen Zügen noch der entsprechende Zuschlag hinzu, bei optionaler oder verpflichtender Reservierung fällt zudem eine Reservierungsgebühr an. Gleiches gilt für die Nutzung der ersten Klasse (Green Car), da es in Japan nicht wirklich Fahrscheine für die erste Klasse gibt, ist der dafür erforderliche Zuschlag in der Reservierungsgebühr für den Sitzplatz enthalten – mehr dazu aber im Abschnitt Die erste Klasse / Green Car. Das ist auch schon alles, was man über das Tarifsystem der japanischen Eisenbahn wissen muss. Wichtige Details folgen in den folgenden Abschnitten.
Wichtig zu beachten ist noch, dass sich das Tarifsystem zwischen Stadt-, Nah- und Fernverkehr dahingehend unterscheidet, dass zum Erwerb der entsprechenden Fahrkarten unterschiedliche Automaten genutzt werden müssen. Diese befinden sich mitunter direkt nebeneinander (oftmals unterschiedlich farblich markiert), teils aber auch in unterschiedlichen Bereichen des Bahnhofs. Automaten für die U-Bahn und den Nahverkehr findet man oft in der Nähe der Bahnsteigsperren, die Automaten für den Fernverkehr befinden sich häufig in der Nähe der bedienten Fahrkartenschalter. Das kann etwas verwirrend sein, und auch ich habe schon des öfteren nach den richtigen Automaten suchen müssen.
Fahrscheinkontrollen
Fahrscheinkontrollen finden bei der Bahn in Japan so gut wie nicht statt – der Grund hierfür ist, dass sämtliche Bahnhöfe mit Bahnsteigsperren ausgestattet sind, die das entsprechende Ticket bereits vor dem Ein- und nach dem Aussteigen automatisch kontrollieren. Somit ist sichergestellt, dass zumindest jeder Fahrgast den korrekten Basisfahrpreis für die gewählte Verbindung entrichtet hat. Sollte man sich hier dennoch einmal vertan haben oder zu wenig Restguthaben auf der IC Card haben, und die Bahnsteigsperre am Zielbahnhof öffnet sich nicht, findet man in der Nähe der Bahnsteigsperren auf der fahrkartenpflichtigen Seite grundsätzlich Automaten, die mit „Fare Adjustment“ beschriftet sind und das Nachlösen bzw. Aufladen des fehlenden Betrags ermöglichen.
Durchaus mit Fahrscheinkontrollen rechnen muss man im zuschlagpflichtigen Fernverkehr, insbesondere, wenn der Zug nicht reservierungspflichtig ist. Nach jeder Station patroullieren Schaffner durch den Zug und gleichen (ähnlich wie bei der DB im Zusammenhang mit dem Komfort Check In) die sitzenden Fahrgäste mit der Reservierungsliste ab. Wer auf seinem reservierten Platz sitzt, wird nicht weiter kontrolliert, wer aber nicht reserviert hat oder auf einem anderen Platz sitzt, kann durchaus gebeten werden, seine Fahrkarte zu zeigen, um sicherzustellen, dass eventuell erforderliche Zuschläge bezahlt wurden.
Tickets im Nahverkehr
Fahrten im Nahverkehr können auf zweierlei Arten bezahlt werden: Entweder durch Lösen eines Papiertickets, oder mit Hilfe der als IC Card bezeichneten kontaktlosen Guthabenkarte.
Letztere haben je nach Herausgeber unterschiedliche Namen (Suica, Pasmo und ICOCA seien nur als Beispiele genannt), sind aber weitestgehend untereinander kompatibel (d.h. das Guthaben einer Suica-Karte kann auch in Gegenden, in denen eigentlich ICOCA zum Einsatz kommt, genutzt werden) und stellen für mich die einzig wirklich sinnvolle Art des Fahrkartenkaufs im japanischen Nahverkehr dar. Einmal gekauft und aufgeladen muss man sich nicht mehr mit Fahrkarten und Tarifen herumschlagen, sondern marschiert einfach zur Bahnsteigsperre, öffnet diese mit der IC Card, steigt in den Zug und öffnet die Bahnsteigsperre am Ziel ebenfalls wieder mit der IC Card. Hierbei wird der anfallende Fahrpreis vom Guthaben abgezogen, beides wird auf einem Bildschirm an der Bahnsteigsperre angezeigt. Einfacher geht es kaum, weitere Details zur IC Card dennoch weiter unten im Text.
Wer dennoch meint, die Anschaffung einer IC Card lohne sich nicht (es wird ein Pfand in Höhe von 500 JPY, ca. 3 EUR, erhoben) oder sich unbedingt mit Fahrscheinautomaten herumschlagen zu wollen, kann Nahverkehrs-Fahrkarten aber auch am Automaten erwerben. Hier gilt es erst einmal, den passenden Automaten zu finden (die Nahverkehrslinien werden mitunter durch verschiedene Unternehmen betrieben) – ist dieser gefunden, kann er aber praktisch immer durch einen einzelnen Klick auf englische Menüführung umgestellt werden.
Im Nahverkehr werden Fahrkarten grundsätzlich nicht nach Strecke, sondern nach Preis verkauft – dementsprechend findet man auf den Automaten eine Reihe von Buttons, die mit unterschiedlichen Fahrpreisen beschriftet sind. In der Nähe der Automaten (meist oberhalb) ist dann auch das Streckennetz des Betreibers abgedruckt, zu jeder Haltestelle wird der notwendige Fahrpreis angegeben. Diesen kann man dann durch Betätigen des entsprechenden Buttons auf dem Automaten lösen und sich mit dem gekauften Ticket direkt zur Bahnsteigsperre begeben (nicht wundern, Papiertickets werden nach Einlesen an der Zielhaltestelle nicht wieder ausgespuckt).
Bezahlt werden kann an den Fahrscheinautomaten übrigens grundsätzlich mit Bargeld oder auch mit Kreditkarte – internationale Kreditkarten werden hierbei im Gegensatz zu manchen (vermutlich veralteten) Warnungen im Internet durchaus problemlos akzeptiert
Tickets im Fernverkehr
Im Fernverkehr, der im Allgemeinen zuschlagpflichtig ist, gibt es ganz grundsätzlich zweieinhalb Möglichkeiten, den Fahrpreis zu bezahlen. Zum einen kann man am Schalter und an Automaten Papiertickets kaufen, man kann eine Kombination aus IC Card und Papierfahrschein nutzen oder, auf einigen Shinkansen-Linien, auch Online-Tickets über die SmartEX-App kaufen. Letzteres erfordert aber eine separate Registrierung und scheint auch nicht besonders gut zu funktionieren, wie die 1,6-Sterne-Bewertung bei Google Play zeigt, weshalb ich auf diese Möglichkeit nicht näher eingehen werde.
Die einfachste Möglichkeit, Fernverkehrs-Tickets zu kaufen, ist an einem entsprechenden Automaten (die Schalter würde ich vermeiden, da hier mit Sprachbarrieren zu rechnen ist – an einigen Bahnhöfen gibt es aber speziell gekennzeichnete Schalter für Touristen, an denen dann multilinguales Personal eingesetzt wird). Die Benutzerführung an diesen Automaten (die ausnahmslos auch auf Englisch und teilweise auf weitere Sprachen eingestellt werden können) ist recht intuitiv und erfordert eigentlich keine nähere Erläuterung. Bei einem solchen Ticket-Kauf erhält man dann Basis-Fahrpreis, Zuschläge und eventuelle Reservierungsgebühren alle zusammen auf einem einzelnen Papierticket, was insbesondere die Kontrolle an der Bahnsteigsperre stark vereinfacht. Deshalb würde ich grundsätzlich empfehlen, diese Möglichkeit zu nutzen.
Wer es etwas abenteuerlicher mag, kauft am Automaten nur den notwendigen Zuschlag und ggf. eine Sitzplatzreservierung, und bezahlt den Basisfahrpreis mit der IC Card beim Passieren der Bahnsteigsperren. Da man aber ohnehin zum Automaten muss, um den Zuschlag zu bezahlen, kann man hier aber auch direkt eine kombinierte Fahrkarte erwerben, insbesondere, da Fernverkehrstickets in aller Regel ja etwas teurer sind und man möglicherweise gar nicht so viel Geld auf der IC Card hat.
Was sollte man beachten?
Nun, da wir uns mit den Grundlagen beschäftigt haben und zumindest einmal eine gültige Fahrkarte kaufen und verwenden können, sollten wir uns noch mit ein paar Details befassen, denn einige Dinge im japanischen Bahnsystem unterscheiden sich erheblich von dem, was wir in Europa gewöhnt sind.
Ein- und Aussteigen
Neben einer äußerst effizienten Betriebsführung ist noch ein zweites Merkmal für die legendäre Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit der Bahn in Japan verantwortlich – und zwar eine hohe Disziplin der Fahrgäste, nicht nur, aber insbesondere beim Ein- und Aussteigen aus den Zügen – dadurch kommt es selbst zur Hauptverkehrszeit so gut wie nie zu „Verzögerungen beim Fahrgastwechsel“.
Da auf japanischen Bahnlinien eigentlich immer das gleiche Rollmaterial eingesetzt wird und die berüchtigte „geänderte Wagenreihung“ praktisch nie vorkommt, ist von vorneherein klar, an welcher Stelle des Bahnsteigs die Türen welchen Wagens zum Halten kommen. Aus diesem Grunde sind auch viele Bahnsteige zum Gleis hin mit Abschrankungen, oft auch mit Bahnsteigtüren, ausgestattet. Überall dort, wo planmäßig Türen von Zügen zum Halten kommen, findet man auf dem Bahnsteig in sicherer Entfernung zur Bahnsteigkante eine eingezeichnete Warteschlange für die Fahrgäste des jeweiligen Zugs, bei Bedarf auch mit Angabe der Wagen- und Türnumer sowie, wenn mehrere Linien am gleichen Bahnsteig halten, auch der entsprechenden Linienbezeichnung.

Hier stellt man sich beim Warten auf den Zug geordnet und sauber in Reih und Glied auf (mit Reservierung natürlich an der Einstiegstür für den Wagen, in dem man reserviert hat), bis der gewünschte Zug am Bahnsteig vorgefahren ist. Sobald der Zug steht, bewegt man sich einige Schritte nach vorne neben (nicht vor!) die Einstiegstür, damit aussteigende Fahrgäste den Zug besser in Richtung der Bahnsteigmitte verlassen können. Sobald alles ausgestiegen ist betritt man den Zug und rückt auch direkt in die Wagenmitte vor, um nachfolgende Fahrgäste nicht zu behindern.
Umgekehrt verhält es sich beim Aussteigen: in vielen Zügen wird per Ansage bereits kurz vor der Ankunft an der Station darum gebeten, man möge sich zu den Ausstiegstüren begeben, bevor der Zug zum Stehen gekommen ist. Darauf sollte man unbedingt auch achten, denn als Nachzügler muss man nicht nur gegen den Strom bereits zusteigender Fahrgäste andrücken, sondern behindert diese auch noch beim Einsteigen.
Mit dieser Methode schaffen es die japanischen Bahngesellschaften, selbst im Hochgeschwindigkeitsverkehr Haltzeiten von nur einer Minute einzuhalten, was sich natürlich sehr positiv auf die Gesamtfahrzeit bei vielen Zwischenhalten auswirkt.
Essen, Trinken, Unterhaltungen und Telefonieren
In den japanischen Zügen ist es überall ruhiger als in den Ruhebereichen der europäischen Bahnen – das liegt in aller erster Linie daran, dass das Telefonieren absolut unerwünscht ist – zwar findet eine überaus rege Nutzung von Mobilgeräten statt, diese werden aber grundsätzlich (darauf wird auch immer wieder hingewiesen) im Lautlos-Moduls betrieben und eben nicht für Sprachtelefonie genutzt. Auch laute Unterhaltungen sind absolut unüblich, es spricht jedoch nichts dagegen, mit dem Sitznachbarn ein leises Gespräch zu führen.
Beim Essen und Trinken muss man zwischen Nah- und Fernverkehr unterscheiden; im Nahverkehr sind Essen und Trinken im Zug weder üblich noch wirklich erwünscht, da es vor allem zur Hauptverkehrszeit sehr voll werden kann und man sich im Gedränge gegenseitig bekleckern würde. Darüber hinaus braucht man hier seine Hände auch zum Festhalten, denn die allermeisten Plätze im Nahverkehr sind Stehplätze. Im Fernverkehr hingegen ist es durchaus üblich, dass während der Fahrt gegessen und getrunken wird, immerhin bieten Geschäfte an den Bahnhöfen sogar speziell für diesen Zweck zusammengestellte Mahlzeiten (die sogenannten „Ekiben“) zum Verkauf an – auf einigen Shinkansen-Linien findet sogar ein Bordverkauf kleiner Speisen und Getränke von einer mobilen Minibar, oder, wie im Falle der ersten Klasse des Tokaido-Shinkansen, in Form eines Am-Platz-Service mit Online-Bestellmöglichkeit, statt.
Die erste Klasse / Green Car
Einige Züge der Bahn in Japan bieten auch Wagen der ersten Klasse an – diese findet man überwiegend im Fernverkehr, aber auch einige Regionalverbindungen bieten entsprechende Wagen, die in Japan als „Green Cars“ bezeichnet und mit einem stilisierten grünen Kleeblatt gekennzeichnet sind. Ob ein Zug eine erste Wagenklasse führt, ist außer in der Fahrplanauskunft und an den Fahrkartenautomaten auch auf den elektronischen Anzeigetafeln am Bahnhof zu erkennen – hier wird hinter der Abfahrtszeit ebenfalls das stilisierte Kleeblatt dargestellt, das auf den meist nicht besonders hoch aufgelösten Anzeigen jedoch eher wie ein weiß durchkreuztes grünes Quadrat aussieht.

Im Nahverkehr besteht der Vorteil bei der Bezahlung des Green Car-Zuschlags (dazu gleich mehr) vor allem darin, dass man einen Sitzplatz erhält – während in der zweiten Klasse, „Standard Car“ genannt, überwiegend Stehplätze und einige wenige Sitzplätze quer zur Fahrtrichtung entlang den Außenwänden geboten werden, findet man in den Green Cars Sitzplätze in Reihen, meist in einer 2+2-Anordnung.
Im Fernverkehr führt eigentlich jeder relevante Zug mindestens eine Green Car, hier unterscheidet sich der Komfortgewinn in der ersten Klasse aber vor allem je nach Zugtyp. Während z.B. im Narita Express nur die Sitzpolsterung etwas dicker ist und etwas mehr Beinfreiheit herrscht (sowohl in der zweiten als auch in der ersten Klasse sind die Sitze 2+2 angeordnet), bieten Green Cars im Shinkansen einen deutlich höheren Komfortgewinn: aufgrund des deutlich breiteren Lichtraumprofils im japanischen Hochgeschwindigkeitsverkehr findet man hier in der zweiten Klasse eine 3+2-Sitzanordnung, während die erste Klasse eine 2+2-Anordnung bietet. Hier kann man die Sitze recht weit zurückstellen, hat eine verstellbare Fußstütze und eben deutlich mehr Platz um den Sitz herum. Ob dieser Komfortgewinn den Aufpreis wert ist, muss aber letztlich jeder selbst entscheiden – ich habe aber den Eindruck, dass der Komfortgewinn für die Green Car in Japan höher ist als der Komfortgewinn, den man bei Buchung der ersten Klasse im ICE der Deutschen Bahn erhält.
À propos Aufpreis: Im Gegensatz zum europäischen Bahnverkehr gibt es in Japan keine Fahrkarten erster Klasse (der Preis für die Beförderung selbst ist immer gleich), stattdessen wird der Aufpreis für einen Sitz in der Green Car mit der Reservierungsgebühr erhoben. Die Fahrt wird je nach Verbindung dadurch gegenüber der Nutzung eines reservierten Sitzplatzes in einem Wagen zweiter Klasse um ca. 1/3 teurer.
Altstrecken und Neubautrassen
Ungewöhnlich aus europäischer Perspektive ist auch die strikte Trennung der japanischen Schnienennetze in ein Altbaunetz und ein Netz von Neubaustrecken. Bei der Konzeption des Shinkansen-Hochgeschwindigkeitsnetzes hat man nicht wie bei vielen Schnellfahrstrecken in Europa bestehende Trassen hochgeschwindigkeitstauglich gemacht, sondern kurzer Hand ein komplett neues Streckennetz gebaut.
Das große Bestandsnetz, auf dem (mit ein paar wenigen Ausnahmen) bis auf Hochgeschwindigkeitszüge alle anderen Bahnen in Japan verkehren, ist aus historischen Gründen mit Gleisen in der schmalen Kapspur (1067 mm Schienenabstand) trassiert, was im gebirgigen Japan durchaus seine Vorteile hat; hingegen schwanken die Züge hier deutlich stärker als in Europa und auch die Höchstgeschwindigkeit ist recht niedrig angesetzt – 90 km/h ist eine durchaus gängige Geschwindigkeitsbegrenzung im japanischen Altbaunetz, durch recht kurze Haltestellenabstände ist man dementsprechend mit dem Zug recht gemächlich unterwegs. Lange Strecken kann man so eigentlich nur auf dem Shinkansen-Netz zügig zurücklegen, man sollte sich also nicht wundern, dass reguläre Züge für die jeweiligen Distanzen recht lange brauchen (der von seiner Zuggattung her als InterCity-äquivalent einzustufende Narita Express benötigt trotz weniger Zwischenhalte für die nur etwa 80 km lange Gestamstrecke vom Flughafen Narita bis zum Endbahnhof Shinjuku fast anderthalb Stunden).
Anders sieht es wie erwähnt auf den Shinkansen-Linien aus: durch die Planung komplett neuer, regelspuriger Trassen (1435 mm Schienenabstand wie in Europa), die vom Altnetz komplett getrennt sind, konnte hier eine überaus effiziente Betriebsführung realisiert werden. In den meisten Fällen kann direkt aus den Stationen heraus auf die jeweilige Streckenhöchstgeschwindigkeit beschleunigt werden (langsame Fahrten durch Gleisvorfelder und über Vorortbahnen bis zur eigentlichen Schnellfahrstrecke wie in Frankfurt, Köln oder Stuttgart entfallen hier vollkommen), was trotz einer leicht geringeren Streckenhöchstgeschwindigkeit zu einer erheblich höheren Durchschnittsgeschwindigkeit dieser Züge im Vergleich mit Europa führt. Das ganze hat aber auch einen gewichtigen Nachteil, denn während auf der freien Strecke häufig mitten durch irgendwelche Ortschaften gebrettert wird (die Lärmschutzwände an der Strecke wirken auch eher halbherzig), wollte man die Neubaustrecken nicht in die Mitte größerer Städte führen. Dementsprechend befinden sich die Stationen des Hochgeschwindigkeitsverkehrs in vielen Städten in Randlage (erkennbar durch das Präfix „Shin“ vor dem Namen des jeweiligen Bahnhofs), um ins Zentrum zu kommen, muss dann noch eine Anschlussfahrt mit einem der langsamen Nahverkehrszüge genommen werden – ein ähnliches Konzept findet man in Deutschland z.B. bei den ICE-Bahnhöfen Bad Wilhelmshöhe, Montabaur oder Vaihingen/Enz.
Umstieg zwischen Nah- und Hochgeschwindigkeitsverkehr
Wie erwähnt bieten die meisten Hochgeschwindigkeitsbahnhöfe auch Anschluss an das Nahverkehrsnetz, für das aber separate Tickets erforderlich sind. Hier findet man oft Umsteige-Bahnsteigsperren („Transfer Gates“), an denen gleichzeitig aus dem Hochgeschwindigkeitsnetz aus- und ins Nahverkehrsnetz eingecheckt wird. Dieser Vorgang ist ein bisschen kompliziert, weil die richtige Reihenfolge der Fahrkarten zu beachten ist. Merken kann man sich die Sache aber recht einfach, wenn man sich vor Augen hält, dass erst aus- und dann eingecheckt werden muss. Kommt man vom Shinkansen und möchte mit einem Nahverkehrszug weiterfahren, so wird erst die Shinkansen-Fahrkarte in die Bahnsteigsperre geschoben, anschließend folgt das Nahverkersticket oder das Einchecken mittels IC Card. In der umgekehrten Richtung passiert das genau andersherum, erst wird mit der IC Card oder dem Nahverkehrsticket ausgecheckt, anschließend mit der Shinkansen-Fahrkarte eingecheckt. Das ist alles ein bisschen kompliziert, denn bei der falschen Reihenfolge öffnet sich die Bahnsteigsperre nicht. Ich muss zugeben, dass ich bei meinem ersten Versuch hierzu auch Hilfe vom Personal benötigt habe.
Wer sich das nicht antun möchte, kann natürlich auch an einer ganz normalen Bahnsteigsperre in den nicht fahrkartenpflichtigen Bereich des Bahnhofs gehen und von dort aus dann wieder zurück in den Kontrollbereich für das jeweils andere Verkehrsmittel gehen. Dabei sind aber natürlich Umwege zu erwarten.
Gepäck
Als Gelegenheits- oder Urlaubsreisender kommt man nicht umhin, auch mal größeres Gepäck mit in den Zug nehmen zu müssen. Auch hier gibt es ein paar Dinge zu beachten, denn die Gepäckregeln (die es auch bei der DB gibt, die aber überhaupt nicht überprüft werden) werden in Japan durchaus etwas strenger ausgelegt.
Zunächst sollte man bedenken, dass es überhaupt keine gute Idee ist, zur den Hauptverkehrszeiten Gepäck in die ohnehin bereits notorisch überfüllten Nahverkehrszüge mitzunehmen. Wenn es sich irgendwie vermeiden lässt, sollte man entsprechende Fahrten auf weniger volle Zeiten (also in den Zeitraum zwischen ca. 11 und 14 Uhr) legen. An sonsten ist die Gepäckmitnahme unproblematisch, mehr als einen Koffer etc. pro Person sollte man aber dennoch nicht dabei haben.
Im Fernverkehr ist die Mitnahme nicht allzu großer Gepäckstücke (z.B. Rollkoffer bis zu einer Höhe von 75 cm) weniger problematisch, da sie ohne weiteres auf die Gepäckablagen oberhalb der Sitze passen (man sollte aber natürlich in der Lage sein, das Gepäck selbst dort hoch- und auch wieder herunterwuchten zu können). Einige Züge (darunter auch alle Hochgeschwindigkeitszüge) verfügen im Einstiegsbereich über mit Zahlenschlössern gesicherte Gepäckablagen, die jedoch gesondert reserviert werden müssen. Eine Pflicht zur Reservierung einer solchen Gepäckablage besteht auf den Tokaido- und Sanyo-Shinkansen sogar grundsätzlich für alle Gepäckstücke, deren Maße (Länge plus Breite plus Höhe) eine Summe von 160 cm überschreiten (das sind z.B. alle handelsüblichen Koffer, die höher als die vorgängig erwähnten 75cm sind). Hat man mit einem solchen Gepäckstück keine entsprechende Reservierung getätigt, kann die Mitnahme verweigert werden. Gänzlich ausgeschlossen ist die Mitnahme von Gepäck mit einem Summenmaß von mehr als 250cm. Grundsätzlich empfiehlt sich wie immer, auf unnötig großes oder unnötig zahlreiches Gepäck zu verzichten.

Unterschiedliche Betreiber der Züge
Insbesondere in städtischen Ballungsräumen haben unterschiedliche Nahverkehrslinien häufig verschiedene Betreiber. Das ist an sich nicht ungewöhnlich und kommt durchaus auch in Deutschland vor, jedoch gibt es in Japan keine Verkehrsverbünde. Das bedeutet, jedes der Betreiberunternehmen hat seine eigenen Tarife und verkauft seine eigenen Fahrkarten an eigenen Automaten. Dementsprechend ist es wichtig, das man direkt den richtigen Automaten findet.
An größeren Bahnhöfen haben die unterschiedlichen Betreiber oft ihre eigenen Bahnsteigbereiche, in deren Nähe man auch die passenden Automaten für die Verbindung findet. In anderen Bahnhöfen stehen die Fahrkartenautomaten der verschiedenen Betreiber unmittelbar nebeneinander, was die Sache durchaus verkompliziereren kann. In aller Regel sind die Automaten aber unterschiedlich gefärbt und mit dem Logo des jeweiligen Betreibers versehen, als ortsunkundige Person kann es aber dennoch schwierig sein, den korrekten Automaten ausfindig zu machen.
Hier helfen üblicherweise die über den Automaten angebrachten Netz- und Fahrpreispläne, denn man kann einigermaßen sicher sein, dass die Ticketautomaten, die sich direkt unterhalb eines dieser Pläne befinden, genau die Tickets für die abgebildeten Linien und Verbindungen verkaufen.
Lohnt sich eine IC Card?
Kommen wir zu guter Letzt noch zu der Frage, ob sich die Anschaffung einer IC Card, also einer kontaktlosen Bezahlkarte (nicht nur) für das japanische Bahnsystem lohnt. Insbesondere angesichts der nicht ganz übersichtlichen Tarifstruktur im Nahverkehr würde ich diese Frage mit einem deutlichen „Ja“ beantworten, denn bei Nutzung einer IC Card muss man sich überhaupt nicht mehr mit dem Tarifsystem befassen oder gar einen Fahrkartenautomaten aufsuchen. Auch lassen sich Einkäufe in Convenience Stores oder die Bezahlung von Gepäckschließfächern über die IC Card abwickeln.
Zwar wird beim Kauf der Karte selbst ein Pfand in Höhe von 500 JPY erhoben (der Ausgabepreis der Karte beträgt 2000 JPY, von denen 1500 JPY für Fahrten genutzt werden können), was sich aber selbst dann lohnt, wenn man die Karte am Ende nicht an einem Schalter zurückgibt. Der Kauf einer IC Card erfolgt an mit „IC Card“ beschrifteten Fahrkartenautomaten, wobei es Automaten gibt, die Karten ausgeben und aufladen können und solche, an denen nur die Aufladung möglich ist; die entsprechenden Automaten sind aber deutlich gekennzeichnet. Berücksichtigen sollte man auch, dass die Aufladung von IC Cards an herkömmlichen Automaten nur unter Nutzung von Bargeld möglich ist. Inzwischen gibt es aber auch einige Automaten zum Aufladen von IC Cards, die eine Aufladung mit Kreditkarte ermöglichen.
An den Flughäfen in Tokio sowie an den größeren Bahnhöfen in der Region Tokio kann zwar auch eine pfandfreie, auf Touristen zugeschnittene Version der dort üblichen IC Card „Suica“ mit dem Namen „Welcome Suica“ erwerben, die Gültigkeit dieser Karte ist aber auf 28 Tage begrenzt und eine Rückerstattung nicht verbrauchten Guthabens ist ebenfalls nicht möglich – aufgrund dieser unnötigen Einschränkungen würde ich vom Kauf aber abraten.
Die international immer verbreitetere Möglichkeit, wie z.B. in London, Singapore oder neuerdings auch Hongkong, direkt an der Bahnsteigsperre mit Kreditkarte zu bezahlen, wird derzeit auch in Japan eingeführt. Da dies aber noch nicht flächendeckend möglich ist, würde ich aktuell noch zur Anschaffung einer IC Card raten.
Fazit
Trotz des nicht ganz einfach zu verstehenden Tarifsystems (ich bezweifele aber, dass die im deutschsprachigen Raum üblichen Zonentarifmodelle für ortsfremde Personen wesentlich einfacher zu verstehen sind), ist die Bahn in Japan ein durchaus attraktives Fortbewegungsmittel. Aufgrund der hohen Zuverlässigkeit und Effizienz macht es wirklich Spaß, sich mit dem Zug durch die Städte und über das Land zu bewegen, sofern man die Tipps und Hinweise aus diesem Artikel beherzigt.